Treff- und Startpunkt für unsere kleine Sonntagsrunde: Motorradhotel Oberlausitz.
Die Spritfässer unserer Motorräder sind frisch befüllt, die Sonne lacht vom Firmament und einige, kleine Schäfchenwolken ziehen über das tiefe Blau des Augusthimmels. Beste Voraussetzungen also für eine flotte Sonntagsrunde. Wingman Martin hat einen Plan, der uns über kleine Straßen zum Zielpunkt und zurück führen wird: dem Jeschken.
Damit Euch meine Schreiberei nicht zu sehr langweilt, lasse ich lieber ein paar Bilder sprechen, denn die sagen ja bekanntlich mehr als tausend Worte.
Kurz nach dem Start verlassen wir Deutschland und fahren ins Böhmische. Hauptschlagadern werden von uns tunlichst gemieden, wir verkrümeln uns lieber ins Hinterland. Kleine Straßen, größtenteils gut bis sehr gut befahrbar, mit vielen Kurven, über Berg und Tal verwöhnen uns. Allerdings ist es nicht nur die Streckenführung, sondern eher die herrlichen Ausblicke, die uns von Anfang an “gefangen” nehmen. Durch kleine, verschlafene Städtchen und Dörfer, geprägt von einfachen, wild romantischen Häusern und Gärten, durch tiefe Wälder und hohe Bergwiesen cruisen wir entspannt durch die hügelige Landschaft. Stellenweise fällt es schon etwas schwer sich auf die Fahrerei zu konzentrieren, da fast hinter jeder Kurve ein neues Panorama, Dörfchen, See oder Kirchlein mein Fotografenherz höher schlagen lässt. Ihr könnt mir glauben – ich leide … aber wenn wir so oft anhalten würden, wie ich möchte, dann wären wir wahrscheinlich erst drei Tage später wieder auf dem Heimweg. So verlasse ich mich auf meinen schwungvollen Begleiter, der mich zielsicher zu den schönsten Fotospots führt.
Schon kurz nach der Grenze fallen mir zwei Dinge auf, die sich etwas ungewohnt, jedoch sehr gut anfühlen: die Tschechen selbst sind der Grund dafür. Denn zum einen machen rund 80% der Autofahrer (egal ob PKW, LKW oder Bus) bereitwillig einen Schlenker nach rechts, um uns einfach durch zulassen. Zum anderen werden wir von jedem Mopedlenker, teils begeistert gegrüßt, Kinder stehen winkend, hopsend an den Apfelbäumen der Landstraßen und selbst in den Dörfern recken uns Einwohner mehr als einmal die Daumen nach oben entgegen. Ich schiebe es ja ein bisschen auf unsere beiden MTs mit denen wir unterwegs sind…. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass wir auf einigen der zahlreichen Nebenstraßen fast alleine unterwegs sind. Selten begegnen uns Kraftfahrzeuge.
Der über 1.000 Meter hohe Jeschken, den man bei guter Witterung sogar von unserem Startpunkt in Wilthen sehen kann, rückt nun immer näher ins Blickfeld. Besonders die eigenwillige Architektur des Gipfelbauwerks strahlt im Licht der Sonne kilometerweit ins Land. Mal ist der Jeschken rechts, mal links und mal sogar hinter uns. Je näher wir dem großen Berg kommen umso imposanter wird sein Anblick. Nach einigen Fotostopps biegen wir unvermittelt auf eine große, sehr gut ausgebaute Straße ein, der sagenhaften Zufahrt zum Gipfel unseres Etappenziels. Was soll ich sagen? Fröhlich funken die Fußrasten über den topfebenen Asphalt, während wir uns immer höher von Kurve zu Kurve schwingen, dass es ein echter Fahrgenuß ist. Der Skodafahrer vor uns treibt seinen RS zur Höchstleistung und hat augenscheinlich genau so viel Spaß wie wir die Serpentinen zu durchfliegen…
Nach dieser fahraktiven Einlage (da könnte ich den ganzen Tag verbringen) lassen wir es wieder etwas ruhiger angehen. Wir passieren den ersten Parkplatz und nun wird die Zufahrtsstraße etwas schmaler, Wandersleute, Radfahrer (die gibts echt überall), Familien und natürlich Motorradfahrer wollen auf den Gipfel. Nach einigen Kilometern versperrt uns ein quer geparkter Lieferwagen samt Warnwestenträger den Weg. Der bunte Typ möchte 200 Kronen dafür haben, dass wir ganz nach oben fahren dürfen. Martin spendiert uns das “Ticket” – wir werden per Funk oben angekündigt – und wir dürfen die restliche Strecke nach oben in Angriff nehmen. Herr Gott nochmal, hätte mich nur jemand darauf vorbereitet! Was sich nun unseren Augen bietet ist schwer in Worte zu fassen, ich versuche es einmal. Die recht schmale Straße windet sich auf ihrem Weg nach oben um den kompletten Gipfel des Jeschken. Man bekommt einen 360° Rundumblick, der nichts für Leute mit Höhenangst ist. Direkt am “Abgrund” schrauben wir uns nach oben. Der Ausblick ist so atemberaubend, wie gefährlich. Ich muss höllisch aufpassen, dass ich niemandem über die Füße fahre, weil mein Blick ständig in die Ferne schweift. Vom Monsterroller bis zum Kinderwagen überholen wir die unterschiedlichsten Verkehrsteilnehmer, von oben kommen uns selbige, in teils affenartiger Geschwindigkeit, entgegen.
“Endlich” erreichen wir den Gipfel, ein klein wenig erinnert mich das Szenario ans Ende vom Stelvio, fehlt nur noch Ernstl’s Bratwurstbude… Damit aber nicht genug, was dann kommt lässt mich nur noch staunen. Neben dem Aufgang zum Restaurant, zwischen Rampe und Geländer sollen wir einen höchstens anderthalb Meter breiten Durchgang benutzen um die Mopeds zu parken. So ganz wohl ist mir dabei nicht, aber die werden schon wissen, was sie tun … und tatsächlich, ich “entdecke” einen der coolsten Motorradparkplätze, die je gesehen habe. Hinter dem Durchgang erweitert sich die Fläche, wir befinden uns nun direkt unter der Balustrade und dort stehen bereits unzählige Maschinen, fein säuberlich geparkt. Fantastisch.
Nun ist endlich genügend Zeit den grandiosen Ausblick über Böhmen bis in die Oberlausitz und das Zittauer Gebirge gebührend zu bestaunen. Ein Augenöffner erster Güteklasse das kann ich Euch versichern. Bringt nur genügend Zeit mit um alles auf Euch wirken zu lassen. Wie auf einer übergroßen Modellbahn präsentieren sich die umliegenden Städte und Dörfer. Liberec am Fuße des Jeschken erstrahlt im Licht der nachmittäglichen Sonne und unter uns (!) zieht eine Cessna ihre Runden. Ein eindringliches Rauschen erfüllt plötzlich die Luft, als ein Segelflugzeug in einem waghalsigen Manöver, in wenigen Metern Höhe, über den Gipfel zischt … mir bleibt die Spucke weg.
Noch bevor ich mich satt gesehen habe, sowas dauert bei mir immer, mahnt Martin zur Weiterfahrt. Wir haben uns ja noch ein kleines Highlight zum “Schluss” aufgehoben. Auf dem Weg nach unten “muss” ich einfach noch einmal anhalten um Martin und das Panorama fotografisch einzufangen.
“Leider” ist die direkte Abfahrt nach Liberec gesperrt, welche sowieso eher langweilig ist, wie mir Martin versichert. Also kommen wir erneut in den Genuß des sagenhaften Kurvengeschlängels – könnte schlimmer sein.
Dass ich wenig später allerdings wiederholt meine Kinnlade nach unten klappe hat einen guten Grund. Denn ein paar wunderschöne Kilometer weiter biegt mein Führer plötzlich unvermittelt nach links ab und was nun kommt, halleluja, das hab ich so auch noch nicht erlebt. Auf einer wirklich kleinen Straße ziehen sich unzählige Serpentinen, mitten durch ein Dorf, mit engsten Radien einen Berg hinauf. Alpiner Charakter umschreibt das Ganze vielleicht am besten. Bis auf die gepflasterten Regenabläufe in einigen Kehren zeigt sich auch hier der Asphalt in einem Topzustand. Vorbei an einem Lift (An den steilen Hängen des Jeschken (Ještěd)-Kammes wird alpiner Skisport betrieben. Skilifts und Skipisten sind vorhanden. Mehrere Skisprungschanzen, die größte ist eine K120-Anlage für internationale Skisprungwettbewerbe, stehen den Sportlern zur Verfügung. Einige Skipisten sind im Sommer übrigens für Mountainbiker nutzbar.) erreichen wir mitten im Wald das Riesenfass. Vor Jahren komplett niedergebrannt, präsentiert sich das ungewöhnliche Bauwerk nun in neuem Glanz. Hotel und Restaurant in einem, inklusive schöner Terrasse auf der Rückseite. Zeit für die nötige Nahrungsaufnahme und um den Flüssigkeitsspiegel wieder aufzufüllen. Was liegt näher, als im Böhmischen das “Nationalgericht” zu probieren? Also ordern wir kurzerhand zweimal die berühmten Böhmischen Knödel. Martin gönnt sich zwei alkoholfreie Bier, während ich mich über meine Pepsi-Max freue, die man ja in Deutschland in fast keinem Restaurant bekommt (warum auch immer).
Frisch gestärkt und energiegeladen machen wir uns einige Zeit später auf den Heimweg. Die Sonne steht bereits tief, so dass wir uns dazu entschließen den schnellsten Heimweg zu wählen. Na ja, fast den Schnellsten, denn wir wollen zum Sonnenuntergang das Zittauer Gebirge erreichen, was uns dank der netten Tschechen (wir erinnern uns, die fahren brav an die Seite) dann auch gelingt. Zwar reicht das restliche Sonnenlicht nicht mehr aus um die berühmten Sandsteinfelsen im Wald zu knipsen, aber dafür halten wir nochmals am Wegesrand inne und blicken zurück auf unsere heutiges Tourgebiet, während sich unsere Reiteisen mit lautem knacken und knistern etwas entspannen dürfen.
Tour zu Ende, Tag zu Ende!
Auf ein Neues.
Na hoffentlich, ich hätte schon richtig Bock drauf! 😀